
Gelbes X der KOA GAS Bewegung. Foto: Katja Holler von der Seite Landsberger Bund-Naturschutz
Ein Thema, das die ganze Region angeht.
Hier die Stellungnahme der Landsberger Energieagentur LENA e.V. vom 29.07.2025
Kurzüberblick Faktenlage
Das Bergamt Südbayern hat am 26.6.24 der Firma Genexco Gas die Genehmigung für eine Probebohrung nach Erdgas in der Gemeinde Reichling erteilt. Dabei soll eine stillgelegte Bohrung wieder geöffnet und beginnend im September eine Erkundungsbohrung bis in etwa 3.000 m Tiefe vorgenommen werden. Sollte dabei ein ausreichend großes Vorkommen bestätigt werden, will das Unternehmen dort über die nächsten 10 – 15 Jahre Erdgas fördern. Dazu wären weitere Genehmigungen erforderlich, auch für die potenzielle Trasse einer Pipeline zur Anbindung an das Erdgasnetz der Energie Schwaben in Denklingen. Dafür wäre auch das Einverständnis aller Grundeigentümer auf der Trasse erforderlich. Alternativ käme eine Verflüssigung vor Ort und der Abtransport per LKW in Frage.
Die unter Reichling vermutete Gesamtfördermenge liegt zwischen 300 und 500 Mio. Kubikmeter. Sie würde nur etwa 0,5% des aktuellen jährlichen Gasbedarfs Deutschlands decken. (Ein nennenswerter Beitrag zur Versorgungssicherheit oder Einsparung von Energiekosten ist also nicht gegeben. Ohnehin ist heute, im Gegensatz zum Zeitpunkt der Konzessionserteilung, die Versorgung mit Erdgas u.a. durch LNG-Lieferungen aus Übersee gesichert.) Darüber hinaus halten die Unternehmen Genexco und Genexco Gas Konzessionen aus den Jahren 2022 und 2023 für ein etwa 100 km² großes Gebiet im südöstlichen Landkreis LL, das sich in etwa vom Lech bis zum Ammersee und in Nord-Süd Richtung von Thaining bis zum nördlichen Ortsrand von Rott erstreckt. Laut Genexco gibt es in diesem Bereich etwa 10 potenzielle Bohrstellen. Anscheinend wird derzeit aktiv nach Grundstücken für weitere Bohrstellen gesucht.
Die beteiligten deutschen Unternehmen haben ihren Sitz in Mühlheim an der Ruhr bzw. Berlin und gehören zum großen Teil dem kanadischen Unternehmen MCF Energy.
Am 22.7.24 haben sich sowohl der Gemeinderat Reichling einstimmig gegen die Gasbohrung ausgesprochen als auch Landrat und Kreistag ohne formellen Beschluss dagegen gewandt. Der Landrat wird damit an die Bayerische Landesregierung herantreten. Darüber hinaus haben die Kommunen keinerlei rechtliche Eingriffsmöglichkeiten in die Genehmigungsverfahren.
Die Landsberger Energieagentur LENA e.V. lehnt Exploration und mögliche anschließende Förderung von Erdgas im Landkreis aus den folgenden Gründen entschieden ab:
1. Treibhausgasemissionen gegen Klimaneutralität
Der Freistaat Bayern und die Bundesrepublik Deutschland haben sich mit ihren Klimaschutzgesetzen auf das Erreichen der Klimaneutralität bis 2040 bzw. 2045 und einen entsprechenden Pfad der ständigen Reduktion von Treibhausgasemissionen mit Zwischenzielen verpflichtet. Dazu steht die Neuerschließung von fossilen Energieträgern im krassen Widerspruch. Man könnte argumentieren, dass die Förderung von heimischemErdgas wegen der viel kürzeren Vorketten gegenüber einer LNG-Nutzung aus Übersee oder einem Transport durch lange kontinentale Pipelines zu weniger Treibhausgasemissionen (weniger CO2 für die zum Transport benötigte Energie, weniger Methan durch Leckagen) je verbranntem Kubikmeter Erdgas führt. Dabei kann man annehmen, dass der Gasverbrauch im Land durch die lokale Förderung nicht erhöht wird, also „schmutzigeres“ Gas durch „saubereres“ ersetzt würde. Allerdings ist die mögliche Fördermenge so gering, dass der massive politische Schaden einer lokalen Neuerschließung fossiler Energieträger in keinem Fall die minimalen Vorteile einer lokalen Förderung rechtfertigen würde. Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss mit allen dafür benötigten Ressourcen absoluten Vorrang haben.
2. Lokale Risiken und Ressourcenbedarf
Auch wenn die Wahrscheinlichkeit großer Risiken (Verunreinigung von Trink- und Grundwasser, Austritt von giftigen Substanzen bzw. für die Bohrung benötigte Chemikalien, Erdbeben mit Gebäudeschäden, Blow Out, Großfeuer, Explosion …) gering ist, wäre die Auswirkung eines Schadensereignisses möglicherweise sehr groß. Immerhin liegt das Reichlinger Trinkwasserschutzgebiet nur 200 m von der Bohrstelle entfernt, Wohnbebauung und das ökologisch sehr wertvolle FFH-Gebiet entlang des Lechs in unmittelbarer Nähe.
Der lokale Ressourcenbedarf wäre dagegen mit Sicherheit sehr groß: Verkehrsbelastung durch An- und Abtransport an die Bohrstelle, potenziell gesundheitsschädliche Emissionen durch den Bohr- und Förderbetrieb, Wasserverbrauch für die Bohrung, Betrieb einer Aufbereitungsanlage (Gastrocknung und Reinigung), je nach gewähltem Abtransport lokale Gasverdichtung oder Verflüssigung, Trasse für eine Pipeline bis zum Einspeisepunkt in das Erdgasnetz u.v.m.
3. Keinerlei lokaler Nutzen durch die Erdgasförderung
Im Gegensatz dazu entsteht keinerlei Nutzen für Bürgerinnen und Bürger, Gemeinde oder Landkreis, selbst Bayern geht völlig leer aus, da – anders als z.B. in Niedersachsen – keine Konzessionsabgabe erhoben wird.
Alle anfallenden Gewinne und Steuern fallen außerhalb Bayerns bzw. sogar in Kanada an. Alle Risiken und Belastungen würden lokal von der Bevölkerung und der Gemeinde getragen – ohne jegliche Vergütung dafür.
4. Fiktion einer Nachnutzung für Tiefengeothermie
Die von Genexco in Aussicht gestellte Möglichkeit, die Bohrung bzw. die gewonnen Daten für eine spätere Nutzung als Tiefengeothermie-Anlage zu verwenden, entbehrt einer realistischen Grundlage:
- Für die Nutzung von Tiefenwärme ist neben einer Förderbohrung eine weitere Bohrung erforderlich, durch die das entnommene Heißwasser abgekühlt in die wasserführende Schicht zurückgegeben wird. Es wären also hohe weitere Investitionen nötig, um die Voraussetzungen für einen Geothermie-Anlage zu schaffen.
- Eine Geothermie-Anlage kann wirtschaftlich nur betrieben werden, wenn sich nahe an der Anlage genügend Wärmeabnehmer befinden, die auch im Sommer einen erheblichen Wärmebedarf haben. Ein relativ kleiner Ort ohne industrielle Wärmenutzer wie Reichling reicht dafür bei Weitem nicht aus. Lange Wärmetransportleitungen in Nachbarorte kommen ebenfalls aus energetischen und wirtschaftlichen Gründen nicht in Frage.
- Letztlich käme eine solche Anlage einige Jahre nach Abschluss der Gasförderung viel zu spät, um noch einen sinnvollen Beitrag zu einer fossilfreien Wärmeversorgung zu leisten. Die Wärmewende muss und wird bis dahin (ca. 2050) längst abgeschlossen sein.
